Stellen Sie sich vor, es ereignet sich eine Revolution und kaum jemand registriert das. Und das, obwohl seine Welt um ihn herum zusammenbricht. Er merkt das zwar, aber er weiß nicht, weshalb es passiert. Er sucht immer weiter nach Ursachen, wo sie aber nicht zu finden sind. Er sucht nämlich nicht bei sich selbst.

Also früher, das weiß ich noch genau, habe ich andere Menschen immer zu verstehen versucht. Was aber gar nicht möglich war. Weshalb das so war? Weil ich Fakten gesucht habe, wo tatsächlich „nur“ Vermutungen waren. Wissen hätte ich das schon lange können, begriffen habe ich es erst dank zweier Physiker, Albert Einstein und Niels Bohr.

Wenn man die beiden auf Bildern sieht, sieht man sie meist in ein Gespräch vertieft, Einstein in einer betont relaxten Haltung (ich interpretiere jetzt einmal), vielleicht weil er ahnte, dass nicht er, sondern Niels Bohr mit seiner Sicht der Dinge richtig lag. Auslöser für ihren scheinbar wissenschaftlichen Streit war die philosophische Frage, welche Konsequenz sich aus dem sogenannten Doppel-Spalt-Experiment ergibt.

Denn es ging um etwas Fundamentales. Einstein kam bei dem Doppelspaltversuch auf die Idee, dass man doch einzelne Neutronen durch den Versuchsaufbau schicken könnte, denn dann würde man feststellen, dass ein geordnetes Bild am Bildschirm zu sehen wäre – und sicher kein Interferenzmuster.

Nur Einstein irrte sich. Es wurde wider Erwarten ein Interferenzmuster aufgezeichnet. Einstein war davon überzeugt, dass da ein Fehler drin stecken, etwas übersehen worden sein müsse. Also suchte er nach Gründen, weshalb das nicht sein könne. Mit dem Einstein-Podolsky-Rosen-Experiment suchte er das zu beweisen. Doch es kam eben anders. Das Experiment zeigte letztlich beispielhaft, dass die Quantenmechanik gegen die Annahme der Lokalität „verstößt“. Lokalität ist eine der Grundannahmen der klassischen Physik. Doch sie – also die Quantenmechanik – liegt nun einmal richtig.

Die Fehlerhaftigkeit der EPR-Überlegungen wurde in zwei Schritten nachgewiesen. John Stewart Bell sei Dank dafür. Er legte in den 1960er Jahren die theoretische Grundlage für eine empirische Überprüfung, die 1982 gelang. Und sie bestätigte, dass Einstein falsch lag. Seine Grundannahme war ja, dass die Quantenmechanik für sich allein genommen dem „gesunden Menschenverstand“ widerspreche.

Und genau das tut sie, deswegen ist es (erst einmal) eine Herausforderung, die Quantenmechanik und ihre Regeln sowie die damit einhergehenden Konsequenzen zu akzeptieren. Doch was genau wurde erkannt? Das nämlich war etwas sehr Grundsätzliches: Albert Einstein war der festen Überzeugung, dass es die Aufgabe der Physik sei, die Realität erklären zu können. Niels Bohr hingegen war der Ansicht, dass sie die nicht erklären, sondern nur beschreiben könne. „Was soll’s?“ könnte man daraufhin sagen.

Doch so einfach ist es nicht, denn diese Erkenntnis attackierte auf elementare Weise nicht nur Einsteins Welt- und sein Gottesbild, sondern auch das innere Bild vieler Menschen von der Welt. Es macht einen fundamentalen Unterschied, ob ich ein Phänomen erklären oder „nur“ beschreiben kann. Denn dann kann ich mir nie sicher sein, was passieren wird, sondern kann nur in Wahrscheinlichkeiten denken und sprechen.

Einstein glaubte bis zu seinem Tod 1955, dass das Universum nach dem Prinzip von Ursache und Wirkung funktioniert. Dass Gott also nicht würfele. Bohrs Erwiderung, ‚Aber es kann doch nicht unsere Aufgabe sein, Gott vorzuschreiben, wie Er die Welt regieren soll.“ wurde jedoch von Einstein nicht erhört – und wird noch immer vielfach ignoriert.

Dass viele Menschen Einstein mit seinem Satz „Gott würfelt nicht!“ zitieren, aber kaum einer den weiterführenden Satz von Niels Bohr kennt, das ist symptomatisch – und erschreckend. Natürlich ist das Universum nach vernünftigen Regeln aufgebaut – nur wir Menschen haben offensichtlich noch Schwierigkeiten, diese „Logik“ zu verstehen – oder vielleicht auch nur zu akzeptieren – und vor allem, damit beziehungsweise danach zu leben.

Dass die Welt und das Universum nicht nach dem Prinzip von Ursache und Wirkung „funktionieren“, sollten wir mittlerweile wissen. Die Wirklichkeit ist nachgewiesener Maßen eine andere. Doch noch immer denken viel zu viele Menschen, alles, vor allem auch Menschen, müsste „funktionieren“.

Dabei ist es bei genauem Hinschauen offensichtlich, dass dem nicht der Fall ist. Vielleicht ist genau das der Punkt, an dem wir Menschen gerade stehen, dass wir endlich akzeptieren müssten, dass Ursache und Wirkung nicht der Motor des Universums sind. Doch das ist nur der erste Denkschritt, der zweite, noch ungelöste, ist die philosophische Frage: „Was ist es dann?“ Dass das Universum nicht einfach so vor sich hindümpelt, ist ja bei einem Blick in die Natur offensichtlich.