Es gibt Dinge im Leben, die man nicht lernen kann, man muss sie erkennen. Ich weiß noch, als wir einmal mit Freunden in der Toscana waren, im Herbst, war ich wie aus dem Häuschen und fotografierte wie wild herum, weil ich etwas sah, was andere vielleicht nicht sahen.

Es war, als offenbarte mir die Toscana ihre Seele, und die sah ich auch auf den Bildern. Ich weiß nicht, ob andere sie auch sehen können, sie sagen vielleicht ‚Oh, das ist aber schön‘, aber die Seele der Toscana ist nicht ‚schön’, sie ist unbeschreiblich. Doch man kann sie sehen, und ich sehe sie immer wieder oder werde immer wieder daran erinnert, wenn ich mir heute die Bilder anschaue.

Es geht nicht um das Vorder-, sondern das Hintergründige, das Unaussprechliche, aber Erfahrbare – wenn man dafür einen Blick hat. Oder nehmen Sie die Bilder von Bernd Kolb, Bilder, die in Wirklichkeit keine Menschen zeigen, sondern eine Reise in das eigene Ich sind. Meine Frau und ich sind nach dem Urlaub extra nach Berlin gefahren, um diese Bilder anzuschauen, Danach haben wir eine ganze Weile nicht mehr geredet, weil jedes Wort nur seicht gewesen wäre und nicht hätte wiedergeben können, was die Bilder uns erfahren ließen – und nicht nur darstellten oder zeigten.

So ist es bei vielem. Wir sehen nur das Oberflächliche, nicht aber das Hintergründige, Unaussprechliche. Es ist die Frage, was die Welt im Innersten zusammenhält, das wirklich Wirkliche, das, was sich einem offenbart, wenn man bereit ist, die Welt als Beziehung nicht nur zu denken, sondern zu sehen und auch so zu erfahren.

Das ist etwas, was kleine Kinder ganz einfach können, und das ist auch die Sehnsucht, die in allen ‚erwachsenen’ Menschen ist, die Sehnsucht nach sich selbst. Doch wir haben diese Sehnsucht in unserem alltäglichen Leben derart zugeschüttet, dass viele Menschen ihre eigene Sehnsucht nicht mehr wahrnehmen und noch weniger sie leben können.

Man könnte denken, dass das ein Privileg derjenigen ist, die sich keine Gedanken (mehr) um irgendetwas machen müssen, sondern einfach ‚nur‘ leben, eben wie kleine Kinder. Aber wird nicht der erwachte Geist im Ch’an mit dem Gesicht eines Kindes dargestellt, aber mit dem langen, weißen Haar des alten Weisen? Weil, jedenfalls ist das meine Vermutung, erkennen wir ohne Wissen nicht, wo wir feststecken und können deswegen auch nicht zurück in den Zustand der Kinder kommen.