Wenn die Wirklichkeit nicht eindeutig ist – wie ist sie dann? Das gilt es herauszufinden. Eine spannende Frage. Wahrscheinlich beginnt es damit, zu erkennen, dass sich die existenziellen Fragen, die mich in meinem Leben beschäftigt haben, irgendwie aufgelöst haben; aber nicht, weil ich sie beantworten konnte oder sie ganz einfach ignoriert oder zur Seite geschoben hätte. Nein, sie haben sich irgendwie wohl verflüchtigt.

Wie heißt es doch im Ch’an? „Im Ch’an finden wir keine Antworten. Wir verlieren die Fragen.“ Genauso habe ich es selbst erlebt. Wenn sich die Fragen auflösen und auch keine Antworten übrig bleiben, lebt es sich wirklich entspannt. Nur darf ich nicht den Fehler machen, die Erkenntnis nicht zu suchen. Obwohl, ich suche ja nicht wirklich Erkenntnis, sondern löse mich „nur“ von unzutreffenden Ansichten.

Sicher hat es auch damit zu tun, dass ich explizites Wissen verinnerlichen und zu implizitem Wissen machen konnte. Aber nicht nur das. Begonnen hat es damit, dass ich aufgegeben habe, die Wirklichkeit zu objektivieren, also in Objekte und Subjekte aufzutrennen. Das ist der grundlegende gedankliche Fehler, der meinen Wahrnehmungsproblemen zugrunde lag. Ich sah die Dinge nicht als Ganzes, sondern nur als von einander getrennt existierende  Dinge.

Egal, welcher Philosophie und welcher Überzeugung und welchem Weltbild ich folge, Grundlage sind immer meine Wahrnehmungen, also letztlich wie ich denke, dass die Wirklichkeit beschaffen wäre. Ich kann ja nur wahrnehmen, was ich gedacht habe. Nur denke ich ja normalerweise nicht im Konjunktiv, sondern ich sehe eben, was ich sehe – und Punkt. Was die Frage aufwirft, was mich da so beharrlich sein ließ.

Ich wollte ganz einfach eine reale Außenwelt haben, in der ich mich problemlos orientieren konnte und wo ich mich auskannte. Doch stattdessen weiß ich mittlerweile, dass ich in einer Welt von Wahrscheinlichkeiten lebe – und damit in einer faszinierenden Welt des Möglichen. Selbst wenn ich davon ausginge, dass es eine objektive Wirklichkeit gibt, nur eben nicht festgelegt, schwimme ich regelrecht in einem Meer des Möglichen. Eine objektive, feststellbare Wirklichkeit gibt es jedoch nur hinterher, daher ist die Wirklichkeit auch nicht planbar, aber auch nicht diffus. Dass es letztlich noch viel faszinierender ist, dazu später mehr.