Was Relativität bedeutet, das ist eine Frage der Perspektive. Einsteins Relativitätstheorie bedeutet keineswegs, dass es meine Frau manchmal kalt findet, ich hingegen keinen Grund sehe, den Ofen anzuschüren. „Wärme“ ist kein relativer Begriff, nur weil wir Wärme unterschiedlich empfinden, also als relativ. Aber das wollte Einstein sicher nicht mit seiner Relativitätstheorie ausdrücken, sondern, dass wir Dinge nicht nur unterschiedlich wahrnehmen, sondern auch unterschiedlich erleben können. Nur dass uns das in der Regel nicht auffällt.

Die Relativitätstheorie befasst sich mit der Struktur von Raum und Zeit sowie mit dem Wesen der Gravitation. Und da wäre noch die Sache mit meiner Masse, nicht meinem Gewicht. Das habe ich schon in der Schule gelernt, da brachte uns unser Physiklehrer bei, dass wir bei einem nicht mehr zu verhindernden Auffahrunfall nicht bremsen, sondern Gas geben sollten, um unsere Chancen zu verbessern.

Denn die Masse steigt, wenn ich beschleunige, zwar für mich nicht merklich, aber der andere bekommt es ordentlich zu spüren. Nur die Auseinandersetzungen mit der Polizei werden dann komplizierter. Ich denke, die Beamten lassen sich wahrscheinlich nur schwer davon überzeugen, dass es besser war, vor dem Crash ordentlich Gas zu geben.

Könnte ich mich mit Lichtgeschwindigkeit bewegen, hätte ich am Ende eine Länge von null und die Zeit würde stillstehen. Nur wo wäre ich dann? Es ist eine echte Herausforderung, Zeit und Raum als Einheit zu denken. Also mich bringt das definitiv an die Grenzen meines Verstandes. Und das ist auch gut so. Denn eines sagt mir die Relativitätstheorie: Das ist noch lange nicht das Ende der Fahnenstange.

Nur vielleicht ganz anders, als Einstein eventuell gedacht hat. Die Quantenmechanik sagt ja ganz klar, dass das Universum nicht determiniert ist, also nicht im Voraus festgelegt ist. Doch das bedeutet nicht, dass es beliebig und willkürlich wäre. Aber von vorne. Denke ich die Relativitätstheorie philosophisch zu Ende, komme ich nicht an einen Punkt, an dem sich schlagartig alles ändert, sondern es verändert sich ganz, ganz langsam, so langsam, dass das erst einmal nur theoretisch zu erfassen ist.

Wie sagte doch Einstein? Erst die Theorie entscheidet darüber, was man beobachten kann. Der Gedanke ist übrigens so etwas wie das torlose Tor des Ch’an. Er bezieht sich nämlich, jedenfalls für mich, nicht nur darauf, dass erst gedacht werden muss, was beobachtet werden kann, sondern es bedeutet, dass alles Existierende erst gedacht werden muss, damit es existiert!

Ich war kürzlich wieder einmal in einer Familienaufstellung. Zeit und Raum scheinen da nicht nur nicht zu gelten, sie gelten wirklich nicht. Das ist auch tatsächlich so, denn in der Familienaufstellung bewegen sich die Teilnehmer nicht in Raum und Zeit, sondern in etwas rein Geistigem und dabei doch sehr Realem, einem (nur) im Geist existierenden Raum-Zeit-Kontinuum.

Das Geistige und damit das Gedachte ist also so real wie der Tisch an dem ich sitze und die Zeit, die ich brauche, um diesen Satz zu schreiben. Und auch mein Organismus existiert gleichermaßen in einer wahrnehmbaren wie auch in einer geistigen Welt. Beide Welten sind die zwei Seiten der einen Münze, die wir Leben nennen.

Das bedeutet, dass der obige Satz „sondern es verändert sich ganz, ganz langsam“ unvollständig ist, es fehlt das „scheinbar“. Denn tatsächlich ändert sich nichts, sondern Vorder- und Hintergrund wechseln nur ihre Position in meinem Erleben. Realität ist also nicht nur das, was ich sensorisch wahrnehmen kann, sondern eben auch das, was ich geistig und gedanklich erfasse. Alles zusammen macht die Realität aus.

Natürlich erst einmal (scheinbar!) nur meine, denn in Wirklichkeit gibt es im Geistigen keinen Subjektivismus, das wäre nur ein Denkfehler. Dazu brauche ich mich nicht in mystisches Denken „zu versenken“, es ist auch möglich, durch konsequent logisches und rationales Denken dorthin zu gelangen, wie es beispielsweise Nagarjuna getan hat.