Früher war die Welt noch in Ordnung. Da war die Realität einfach wirklich. Also für mich. Sie war wie ein Haltegriff, wenn das Leben unruhig wurde, da wusste ich, woran ich mich orientieren konnte. Ja, da war die Welt in Ordnung. Mir war zwar klar, dass für jeden Wirklichkeit etwas anderes war, jeder die Welt ein wenig anders sah, auf seine Weise interpretierte.

Aber ich musste nur lange genug darüber nachdenken, dann kam ich schon drauf, wie es wirklich ist. Das dachte ich zumindest. Da ich offensichtlich sehr überzeugend argumentieren konnte, war die Welt für mich meist in Ordnung, also sie war so, wie ich eben dachte, dass sie wäre.

Das Dumme war nur, dass mir meine Familiengeschichte immer wieder in die Quere kam. „Eigentlich“ hätte ich das schon sehr früh merken müssen, denn mein Leben gestaltete sich alles andere als normal. Warum mich dann die Geburt meiner ersten Tochter vollkommen aus der Bahn warf und ich aus der Sicht vieler endlich wieder „normal“ wurde und Jura studierte, Anwalt wurde und einen Beruf ergriff, das kann ich beim besten Willen nicht sagen.

Aber „hinbekommen“ habe ich diese Art zu leben dann doch nicht und bin notgedrungen recht früh ausgestiegen, habe dann aber keinen rechten Fuß mehr in der „normalen“ Welt fassen können. Keine Ahnung, was mich umtrieb. In der Rückschau frage ich mich manchmal, ob das Leben wollte, dass ich was begriff. Keine Ahnung.

Wie dem auch sei, bevor ich Jura studierte, studierte ich 6 Semester Physik. Das bestand darin, dass wir ewige Diskussionen über Unendlichkeit führten. Ich begriff einfach nicht, wie es etwas Unendliches geben kann. Und an einen lieben Gott mit Rauschebart glauben, das konnte ich auch nicht. War mir offensichtlich zu einfach.

Mittlerweile bin ich wieder bei der Physik gelandet, genauer der Quantenphylosophie. Die grundlegenden Fragen sind für mich teilweise immer noch offen. Und die würde ich gerne beantworten können:

Wie kommt es zu dem, was existiert?
(How come existence?)
Warum gibt es Quanten?
(Why the quantum?)
Haben wir teil am Universum?
(A participatory universe?)
Was führt zur Bedeutung?
(What makes meaning?)
Das Seiende aus Informationen?
(It from bit?)

Das sind die Fragen, die John Archibald Wheeler formulierte, fünf grundlegende Fragen, die über die Physik hinausreichen. „Really big questions“, wie er sagte.

Die zweite Frage habe ich für mich beantwortet: Damit das Universum – und auch ich – existieren kann. Und weil nichts festgelegt ist, sondern alles eine Frage der Beziehung ist. (Was übrigens mit der fünften Frage korrespondiert.) Auch die dritte Frage habe ich für mich geklärt: Ich und das Universum können nur Eins sein. Und die fünfte Frage ist mir genauso klar, wenn ich sie auch nicht so richtig beantworten kann, jedenfalls nicht so, dass es verständlich wäre. Aber dass Information existenziell ist, das ist für mich so. Nu.r wie ich sie einsetzen kann, das ist mir noch nicht ganz klar.

Also früher stellte ich mir das Leben so ähnlich wie Zugfahren vor. Der Zug nimmt unbeirrt seinen Weg, nur ganz grobe Hindernisse können ihn zum Entgleisen bringen. Mit der Zeit wurde mir jedoch klar, dass das Leben nicht wie auf Schienen verläuft, eher so wie ein Auto. Da sollte ich schon immer wieder mal auf die Straße schauen, damit ich nicht im Graben lande. Aber wenn nichts Besonderes passiert, komme ich ohne großes Zutun dahin, wo ich hin will.

Mittlerweile ist mir aber bewusst geworden, dass das Leben völlig instabil ist. So wie eine Fahrt auf dem Motorrad. Sieht nur stabil aus. Und dafür muss ich viel tun, mich ständig im Flow-Modus bewegen. Da kann ich während des Fahrens nicht über etwas nachdenken wie im Auto. Wenn ich das mache, ist sehr schnell Schluss mit lustig. Ich muss jeden Moment dabei sein, sonst wird das nichts mit dem Motorrad fahren.

Was mich aber immer noch verwundert, das ist, weshalb es so ein tolles Gefühl ist, Motorrad zu fahren, ganz anders als mit dem Auto. Was macht da nur den Unterschied? Vielleicht ist das des Rätsels Lösung?