Lange wollte ich wissen, wer ich bin. Doch das brachte mich nicht weiter, gab mir keine zufriedenstellenden Antworten. Als ich also zu begreifen begann, dass mich diese Frage, wer ich bin oder auch, was ich da mache, nicht wirklich weitergebracht hat auf dem Weg der Selbsterkenntnis (und auch nicht beim Motorradfahren), wandte ich mich der Frage zu, was ich überhaupt bin.

Ich wandte mich sozusagen vom Inhalt ab und wandte mich der Form zu. Marshall McLuhan lässt grüßen. Ich erkannte sehr schnell, dass ich Verhaltensänderungen allein über die Form realisieren konnte, nicht aber über inhaltliche Vorstellungen. Es galt zu erkennen, was die Psychologen auch erkannt haben, dass es nämlich völlig unmöglich ist nicht im Einklang mit meine Persönlichkeit zu handeln.

Was mein Verständnis von den Menschen, vor allem als gelernter Juristen, erst einmal ordentlich erschütterte, bedeutet das doch, dass ich mir den Schuldbegriff abschminken konnte. Das wirft die Frage auf, wie frei wir tatsächlich sind, ob wir uns überhaupt entscheiden können, nicht zu tun, was wir gerne tun würden.

Das Strafrecht geht davon aus, dass es möglich ist, sich gegen seine eigenen Motive oder Impulse zu entscheiden. Was aber nicht der Fall ist. Das bedeutet nicht, dass ich oder ein anderer tun und lassen könnte, was er will, den meine oder seine Verantwortlichkeit bleibt. Im Zivilrecht kommen wir ja auch sehr gut ohne den Schuldbegriff aus. 

Warum ich tat, was ich getan habe, spielt dabei keine Rolle. Es ist, wie es ist. Ich habe immer für das einzustehen, was ich zu verantworten habe, weil ich eine Norm verletzt habe. Ich denke auch, dass der Sühne- und Vergeltungsgedanke im Strafrecht selten eingestanden eine wichtige Rolle spielt, vor allem in der Bevölkerung. Dabei wissen wir, dass Strafe nichts bewirkt – weil Strafe nichts an der Persönlichkeitsstruktur ändert.

Was ich tue, tue ich aus meiner Persönlichkeit heraus und nicht etwa aus Überlegung. Ich kann es auch nicht bewusst so oder anders tun. Und doch ist die Persönlichkeit wandelbar, nicht weil ich etwas bewusst will, sondern weil ich eine Erkenntnis gemacht und verinnerlicht habe.

Was ich also tun kann, will ich anders leben, das ist mein Weltbild zu reflektieren und zu hinterfragen, mich also zu fragen, was wirklich wirklich ist. Das braucht uns nicht zu grämen, denn das ist leichter, als wir gemeinhin denken. Max Planck hat das so formuliert: „Alle Materie entspringt und existiert nur durch eine Kraft. Wir müssen annehmen, dass hinter dieser Kraft ein bewusster, intelligenter Geist steht. Dieser Geist ist die Matrix aller Materie.“ Also auch von mir, denn ich bestehe ja auch aus Materie.

Dann erkenne ich auch die Logik hinter diesem Gedanken von Huang Po: „Dass es nichts zu erreichen gibt sind keine leeren Worte, sondern die allerhöchste Wahrheit.“ Das bedeutet, dass ich mich von der „normalen“ Denkweise verabschieden muss, die ja nur sehen will, was der Verstand meint.

Und genau das, also vom Verstand aus zu denken und zu handeln, das hat mir mein Motorrad gründlich ausgetrieben. Wobei mir dabei die Quantenphysik sehr geholfen hat, baut sie doch eine Brücke zwischen meinem Wesen und meinem Verstand. Es ist nun einmal so, dass das Atom nicht das kleinste aufzufindende Teilchen ist. Tatsächlich lässt sich nur eine Struktur finden, die man nur als Geist be- und umschreiben kann.

Hans-Peter Dürr hat einmal gesagt, dass sich Geist zu Materie wie die Ahnung zum Gedanken verhält. Ein schönes, gutes Bild. Doch damit drängt sich mir die Frage auf, wie ich etwas ändern kann, will ich denn etwas ändern. Wie sagt aber Goethe? „In dem Augenblick, in dem man sich endgültig einer Aufgabe verschreibt, bewegt sich die Vorsehung auch. Alle möglichen Dinge, die sonst nie geschehen wären, geschehen, um einem zu helfen. … Was immer du tun kannst oder wovon du träumst, fang es an, In der Kühnheit liegt Genie, Macht und Magie.

Exakt das habe ich erlebt, als ich mit 65 den Motorradführerschein gemacht habe. Ich habe mich damals dem Motorradfahren verschrieben und habe genau das erlebt: Magie. Was kaum jemand für möglich gehalten hatte, war möglich geworden. Und so ist es bei allem.